Die zum WiSe 20/21 startende Kohorte des Masters Kulturanalysen hat sich im zweisemestrigen Forschungsprojekt mit den Begriffen Gefühle, Öffentlichkeit und Regulation und dem daraus resultierenden Themenfeld beschäftigt. Als handlungsleitend galt dabei die übergeordnete Forschungsfrage: „Wie werden Gefühle in der Öffentlichkeit reguliert?”. Die Studierenden begaben sich damit in ein Forschungsfeld, das von sozial- oder kulturwissenschaftlichen Fächern erst seit wenigen Jahren – im Zuge des sog. ‚affective turn‘ – intensiver beachtet wird.
Das Projekt zeichnete sich durch eine besondere Perspektive auf Gefühle aus, nämlich indem es Gefühle als Praktiken („Gefühlspraktiken“) fokussierte. Gefühle wurden also nicht als naturgegeben verstanden, sondern vielmehr als etwas, das performativ hervorgebracht wird. Diesem Hervorbringen liegen keine Naturgesetze, sondern gesellschaftlich und kulturell etablierte Werte zugrunde, die beispielsweise mit den klassischen Differenzachsen race, class und gender verschränkt sind.
Ähnliches gilt für den Begriff der Öffentlichkeit. Auch ‚die Öffentlichkeit‘ ist durch Machtmechanismen normiert – ein Umstand, der sich ebenfalls in den genannten Differenzachsen niederschlägt. Öffentlichkeit kann nicht von allen gleichermaßen betreten, verlassen und letztlich mitbestimmt werden. Die Studierenden einigten sich auf den Begriff der Öffentlichkeiten bzw. sogar der Gegenöffentlichkeiten, um den ungleichen Zugängen Rechnung zu tragen.
Für ihr Projekt haben die Studierenden fünf individuelle Schwerpunkte gesetzt, jeweils zu einer Gefühlspraktik geforscht und untersucht, wie Gefühle im Kontext von (Gegen-)Öffentlichkeiten reguliert werden. Im Zentrum der Einzelforschungen standen dabei die Gefühle Hass, Scham, Queer Joy, weibliche Wut und Eifersucht.
Bei der Bündelung der Ergebnisse der Einzelforschungen konnten die Studierenden interessante Ergebnisse festhalten. Hierzu zählt unter anderem, dass es keine vorgefertigten Lesarten von Gefühlen gibt. Eifersucht als Gefühl stellt sich beispielsweise mit dichotomer Lesart dar – einerseits gilt sie als Liebesbeweis, andererseits jedoch als toxische Verhaltensweise. Darüber hinaus wurde deutlich, dass Gegenöffentlichkeiten als Gegenentwurf zur exklusiven Öffentlichkeit immer dann entstehen, wenn der scheinbar natürliche Status von Gefühlen irritiert wird. Im Forschungsprojekt zu Thema Scham zeigte sich, dass es z. B. im Studium gängige Praxis ist, dass Langzeitstudierende Effizienznarrative aus ihrem Umfeld streichen und so eine Art Gegenöffentlichkeit provozieren.
Gefühle werden auf der einen Seite also durch klassische Wirkmechanismen reguliert. Im Sinne gesellschaftlich, historisch und kulturell etablierter Werte, wie beispielsweise die Dominanz heterosexueller Liebe etwa gegenüber dem Gefühl Queer Joy, reproduzieren sich normierte Vorstellungen von Gefühlen/Gefühlspraktiken, inklusive deren Lesart und (Un-)Sichtbarkeit. Auf der anderen Seite werden aber auch Öffentlichkeit(en) durch Gefühle bzw. Gefühlspraktiken reguliert. Gefühle/Gefühlspraktiken und (Gegen-)Öffentlichkeiten stehen somit in einem relationalen (De-)Regulierungsverhältnis.
Die Ergebnisse des Lehrprojekts mündeten 2022 in eine Ausstellung in der Oldenburger Innenstadt. In diesem Zuge sind auch die folgenden Plakate zu den Einzelforschungen entstanden: