Vermittelnde Funktion

M.A. Kulturanalysen, 2017, Karen Ellwanger

 

Wenn das hier verlinkte Video die Inszenierung einer Inszenierung (die Präsentation)
einer Inszenierung (der Propädeutikums-Prozess) ist, so wäre dieser Text die,
Achtung!,Inszenierung einer Inszenierung einer Inszenierung einer Inszenierung.
Das muss man aber so nicht sehen.

Das Gesamtergebnis ist vorstellbar als kleinstes
gemeinsames Vielfaches, gemeinsamer Nenner oder als Alleingang.
Eine Stellwand aus Kork und Lichterkette, hinter der wir uns verstecken,
unser Pokerface.

Ich verbringe ein bisschen Zeit mit Microsoft PowerPoint.
Ich lerne etwas Neues, es ist durchaus Quality time.

In bestimmten Fällen geht bei der Umwandlung einer Präsentation
in ein Video der eingefügte Ton verloren. Mist.

„Hallo. Ich heiße ANNA.
Ich führe Sie durch diese Performance.“

Das sagt die STIMME in der Präsentation, zur Begrüßung.
Und gleich danach:

„Ich bin nicht Teil dieser Kohorte.
Ich komme von außen und habe eine vermittelnde Funktion.“

ANNA ist die STIMME, vorinstalliert auf allen Macs
und nutzbar gemacht mit einer kleinen Software aus dem App Store.

Weil der Ton in unserem Fall aber besonders wichtig ist,
greife ich auf einen kleinen Trick zurück.

An einem Montag gegen 07.45 Uhr google ich das Wort „Kohorte“.
Ich bin ein bisschen gestresst, ich bin ein bisschen müde.
Ich bin so, wie wir alle immer sagen wie wir sind.

„Eine Performance“,
erklärt uns ANNA zu Beginn,
„bedeutet unter Anderem, dass es gewisse Regeln gibt.“

Wenn uns mehrmals die Woche jemand fragt, wie es uns geht.

Ich entscheide mich selbstverständlich für Wikipedia:
„In der Soziologie, Demographie und Statistik sind Kohorten
(lat. cohors „umfriedeter Raum“) Gruppen von Personen,
die gemeinsam ein bestimmtes längerfristig
prägendes Ereignis erlebt haben.“

ANNA hat also eine vermittelnde Funktion.
Wir sitzen in der Gruppe zusammen und überlegen, wie wir
die Ergebnisse der letzten sechs Wochen präsentieren wollen.
Die Stimmung ist etwas angespannt, wir wissen nicht so richtig warum.

Wenn wir uns mehrmals in der Woche fragen, wie es uns so geht.

Der Trick ist, einfach ein Bildschirmvideo aufzunehmen,
während die Präsentation ganz normal durchläuft.
Ein positiver Nebeneffekt ist der leichte Hall,
der dadurch auf der STIMME liegt.

ANNA klingt gleich noch blecherner, noch hergestellter.

Wir sitzen in der Gruppe zusammen und überlegen,
was unsere Ergebnisse der letzten sechs Wochen sind.
Wir wissen es nicht so recht. Die Stimmung ist etwas angespannt.

Die Präsentation ist Teil einer Performance,
die am 13.12.2017 in Raum A02 3-320,

dem Schriften Archiv, stattfindet.

ANNA nennt das auch „Ausstellung des Propädeutikums-Prozesses.“
Im Schriftenarchiv haben wir die letzten sechs Wochen verbracht.

Es ist nicht so, dass da nichts ist. Wir wissen nur nicht was.
Oder wir können es nicht sagen.
Oder wir wollen es nicht sagen,
wollen es einander nicht sagen,
wollen lieber…Hach ja…

Wir nehmen die Geräusche auf, die der Drucker macht.
Wir machen einen „Energizer“ im Flur
und drehen darüber ein kleines Video.
Wir füllen einen tumblr-Blog mit Inhalten
wie man einen Geldautomaten mit Geldscheinen befüllt.
Wir entscheiden uns für ein Online-Dokument, in das alle
ihre Lieblingstexte, Eindrücke, Bilder, Emojis reipacken können.

Aus diesem Pool entstehen an einem Montag gegen 07.45 Uhr
gleichzeitig ANNAs Sprachhandlungen und die Präsentation.
Der Trick ist: Wir flüchten uns ein bisschen in die aufgelöste Form,
in eklektisch angehauchte Repräsentationen,
theatrale Elemente und Unverbindlichkeiten.

Manche packen, echt wahr!,zehn Seiten Text in das Dokument.
Andere eher zehn Zeichen, oder auch null Zeichen.
Das macht jeweils gar nichts, denn es ist
gleichzeitig genug für alle und für alle zuwenig da.
Wir vermissen Regeln und wünschen uns mehr Freiheit.

An einem Montag pfeife ich ein kleines Liedchen bei der Arbeit,
can’t read my, can’t read my ,no he can’t read my pokerface…
P p p poker face, p p p poker face.

Hihi.

Wenn ANNA die STIMME gegen Ende die Möglichkeit in den Raum stellt,
dass das Publikum, das ja eigentlich gar kein echtes Publikum ist,
eventuell nicht ALLES hat einordnen können,
so meint sie mit Publikum natürlich auch uns,
die wir hier performt haben.

Die Studierenden der Kohorte Kulturanalysen verarbeiteten essayistisch und multimedial den umfangreichen transdisziplinären Input ihres Propädeutikums. Die Kohorte des letzten Wintersemesters entschied sich die Erkenntnisgewinnung über ein digitales Medium zu sichern und generierte in den sieben Wochen Inhalt auf einem tumblr Blog. Daraus entstand mit einigem extra Material ein Video, welches bei der Abschlusspräsentation in Form einer Lecture Performance Dozierenden und Interessierten präsentiert wurde.

Studierende: Brigitte Boomgarden, Dana Ehlert, Falk Ewers, Hekmat Mufleh, Ole Schwabe, Katharina Thomé, Sabrina Draheim, Juliane Friedrich, Jasmin Johannsen, Lars Möller